Text deutsch + english: iPhone-series, Roland Barthes_AI, 18/, 2020, currently on view at Falko Alexander Galerie, Cologne, 21.5.-20.6.2021
English: For the Roland Barthes_AI series, I "photographed" images from Roland Barthes' famous 1980 book "Camera Lucida" with the iPhone, i.e. I either worked with digital images of the original photographs on the internet, or purchased high-resolution scans of the original photographs, or "photographed" images from the book (from 1980) with the iPhone and thus digitised them myself. I then processed the digitised images with a simple consumer AI app available on the market. The app recognises depicted people by image recognition and retouches them automatically from the image, which only requires a single click. The resulting images are minted by me (tokenised as NFTs), loaded onto a tablet and shown on the screen.
About: iPhone-series
The smartphone has become the accepted camera model, algorithms and AI have transformed "photography" into "computational photography". These new "photographs" are no longer primarily taken, but computed in large parts. In addition, there are new digital tools, such as 3D scanning, photogrammetry and augmented reality, which are now available as apps for consumer photography and which considerably expand the possibilities of "photography".
With a view to current developments, in 2020/21 I created a series of "photographic" works with my smartphone. I work with historical photographs that have a personal, biographical meaning for me, that are, for example, favourite images from analogue times and are representative of a documentary-depictive tradition of photography. I am particularly interested in the extent to which computational photography, smartphones, artificial intelligence and blockchain technology change, expand or overwrite historical photography in the sense of Roland Barthes or Stephen Shore and the models of understanding that go with it.
A necessary prerequisite for my work process is the entry of the original, exclusively analogue source images of the 19th and 20th centuries into the digital field. I have partly worked with digital images of the original photographs on the internet, partly purchased high-resolution scans of the original photographs, i.e. worked with existing digitalisations, or "photographed" images in my photo book collection with the iPhone and thus digitalised them myself. From this point on, the work process runs seamlessly with the iPhone in the digital field. I use consumer software, simple apps available in the app store, which work with artificial intelligence in various ways.
I deliberately start at the point where new technology becomes widely available at the user level and becomes mainstream. My editing steps each consist of one or very few clicks. In some cases the app works with program-bots, i.e. the app also performs computing operations on its external computers and imperceptibly for the user, the image results are streamed back to the iPhone.
The finished files are "minted" by me, provided as NFTs with a certificate on the blockchain and shown on screens/tablets, some are printed as fine art prints and transferred back into analogue space.
Besides the new everydayness and general availability of the tools, what interests me most is their highly standardised character. The apps are designed for mass use and leave very little (sometimes no) room for decision-making in their use. Algorithms and AI take over almost all image decisions in the application, there are no or only very minimal adjustment possibilities in the apps used. It seemed interesting to me to what extent an artistic work is possible under these highly restricted conditions (also referring to Vilèm Flusser, who names working against the program of the apparatus as a possible creative act), and how the interaction with the programs can be shaped in this respect. I therefore refer to the works as "digital détournements". My particular focus is on delegating image decisions to AI, how does human decision-making relate to machine image recognition and to machine decision-making in this framework? (Michael Reisch, 2021)
Deutsch: Für die Serie "iPhone-series: Roland Barthes_AI" habe ich Abbildungen aus Roland Barthes berühmtem Buch „Die helle Kammer“ aus dem Jahr 1980 mit dem iPhone „fotografiert“, d.h. ich habe fallweise mit digitalen Abbildungen der originalen Fotografien im Internet gearbeitet, oder High-Resolution-Scans der originalen Fotografien angekauft, oder Abbildungen aus dem Buch mit dem iPhone „fotografiert“ und so selbst digitalisiert. Anschließend habe ich die digitalisierten Abbildungen mit einer einfachen, im Handel erhältlichen Consumer-KI-App bearbeitet. Die App erkennt durch Bilderkennung abgebildete Personen und retuschiert diese automatisch aus dem Bild, wofür nur ein einziger Klick erforderlich ist. Die so entstandenen Bilder werden von mir gemintet (als NFTs tokenisiert), auf ein Tablet geladen und auf dem Screen gezeigt. (Michael Reisch, 2021)
Über: iPhone-series
Das Smartphone hat sich als Kameramodell durchgesetzt, Algorithmen und KI haben „Photography“ zu "Computational Photography" transformiert. Diese neuen „Fotografien“ werden nicht mehr in erster Linie aufgenommen, sondern in großen Anteilen errechnet. Hinzu kommen neue digitale Tools, wie z.B. 3D-Scanning, Photogrammetrie, oder Augmented Reality, die für die Gebrauchsfotografie als Apps auf Consumer*innen-Level inzwischen leicht verfügbar sind, und die Möglichkeiten der „Fotografie“ erheblich erweitern.
2020/21 habe ich mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen eine Reihe von „fotografischen“ Arbeiten mit meinem Smartphone erstellt. Dabei arbeite ich mit historischen Fotografien, die für mich eine persönliche, biographische Bedeutung haben, die z.B. Lieblingsbilder aus analogen Zeiten sind und stellvertretend für eine dokumentarisch-abbildende Tradition der Fotografie stehen. Insbesondere interessiert mich, inwieweit Computational Photography, Smartphone, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie die historische Fotografie im Sinne Roland Barthes oder Stephen Shores und die damit einhergehenden Verständnismodelle verändern, erweitern oder überschreiben.
Notwendige Voraussetzung für meinen Arbeitsprozess ist der Eintritt der im Original ausschließlich analogen Ausgangsbilder des 19. und 20.Jh. ins digitale Feld. Ich habe teilweise mit digitalen Abbildungen der originalen Fotografien im Internet gearbeitet, teilweise High-Resolution-Scans der originalen Fotografien angekauft, also mit bestehenden Digitalisierungen gearbeitet, oder Abbildungen in meiner Fotobuchsammlung mit dem iPhone „fotografiert“ und so selbst digitalisiert. Ab dieser Stelle läuft der Arbeitsprozess nahtlos (seamless) mit dem iPhone im Digitalen Feld ab. Ich verwende dazu Consumersoftware, einfache, im App-store verfügbare Apps, die in verschiedener Weise mit Künstlicher Intelligenz arbeiten.
Ich setze dabei bewusst an dem Punkt an, wo neue Technologie auf breiter Basis auf User-Level verfügbar wird und sich im allgemeinen Gebrauch durchsetzt. Meine Bearbeitungsschritte bestehen jeweils aus einem bzw. sehr wenigen Klicks. In einigen Fällen funktioniert die App mit program-bots, d.h. die App führt auch Rechenoperationen auf ihren externen Rechnern und für die User*innen unmerklich durch, die Bildergebnisse werden auf das iPhone zurückgestreamt.
Die fertig-bearbeiteten Dateien werden von mir „gemintet“ und als NFTs mit einem Zertifikat auf der Blockchain versehen und auf Screens/Tablets gezeigt, einige werden als Fine-Art-Prints ausgedruckt und wieder in analogen Raum zurücküberführt.
Mich interessiert neben der neuen Alltäglichkeit und allgemeinen Verfügbarkeit der Tools vor allem ihr stark standardisierter Charakter. Die Apps sind auf den Massengebrauch ausgelegt und lassen sehr wenig (manchmal keinen) Entscheidungsspielraum im Gebrauch zu, Algorithmen und KI übernehmen in der Anwendung fast alle Bildentscheidungen, es gibt keine, oder nur sehr minimale Justiermöglichkeiten in den verwendeten Apps. Mir schien interessant, inwieweit eine künstlerische Arbeit unter diesen höchst eingeschränkten Voraussetzungen möglich ist (auch bezugnehmend auf Vilèm Flusser, der die Arbeit gegen das Programm der Apparate als möglichen kreativen Akt benennt), und wie sich in dieser Hinsicht die Interaktion mit den Programme gestalten lässt. Ich bezeichne die Arbeiten daher auch als „digitale Détournements“. Mein besonderes Augenmerk liegt auf dem Delegieren von Bildentscheidungen an KI, wie verhält sich in diesem Rahmen menschliche Entscheidungsfindung zu maschineller Bilderkennung und zu maschineller Entscheidungsfindung? (Michael Reisch, 2021)